Dem Achtzehnten Juni folgte unweigerlich der Neunzehnte! Diese banale Information hat insofern ihren Reiz, als dass ich somit einen Samstag vor mir hatte, an dem ich den Kanadier hätte Probefahren können.
Dennoch benötigte ich eine ganze weitere Woche, bis sich eine passende Gelegenheit ergab. Ich fuhr nach Biebrich, parkte direkt vor dem Schloss, packte Boot, Bootswagen, Paddel, Zelt, Schlafsack und Wasser ein und machte mich auf den Weg zu nahegelegenen Rheinufer. Als praktisch veranlagter Theoretiker wollte ich mich beim ersten öffentlichen Aufbau des Bootes nicht allzusehr blamieren. Deshalb fing ich erst im Dunklen an, die Teile auf dem Boden zu verteilen und dann in irgend einer Form nahezu sortiert in die Bootshaut zu stopfen. Währenddessen unterhielt sich ein GI mit mir über Faltkanus und, als er von dannen geschlichen war, näherten sich drei Inder. Diese schienen vom Bootsbau sehr viel zu verstehen. Zumindest kommentierten sie in langen Diskussionen jeden einzelnen meiner Handgriffe.
OK, als ehemaliger Schichtgänger hätte ich mich daran erinnern sollen: Für Nachtarbeit gibt es bis zu 50% Zuschlag. So war es dann auch mehr als schlüssig, dass ich völlig verschwitzt nach 75 Minuten das Boot fertig hatte. Zumindest beinahe. Denn irgendwie lag noch eine von diesen vielen Streben herum und ich musste erkennen, dass es sich hierbei nur um die Kielstrebe handeln konnte.Eine Viertel Stunde später lag das Boot komplett aufgebaut und Reisefertig am Rheinufer. Schnell noch die Lampe eingesetzt und schon ging es los. Mit einem Indischen Worstschwall des Unglaubens über die Schwimmfähigkeit dieses Bootes verließ ich das sicher Ufer und begann mit meiner Jungfernfahrt..
Langsam und dunkel zogen die Spundwände des Ortes an mir vorbei, während ich mich flussaufwärts in Richtung Ost-Spitze der Rettbergsau abmühte. Nach gefühlten zwei Stunden hatte ich den Scheitelpunkt der Strecke bewältigt und fuhr nun sehr leise plätschernd zwischen Rettbergsau und dem Mombacher Ufer den Rhein hinab. Die Antrengung der Bergfahrt hatte mich ordentlich aufgeheizt. Umso mehr genoss ich jetzt die frische Luft, die mich abkühlte.Dieses Boot machte sich sehr gut. Die Ruhe des weichen, flexiblen Rumpfes konnte aber nicht gegen die Rufe nach Pause ausgleichen, die ich mit zunehmender Frequenz von meinem Gehirn erhielt. Eine halbe Stunde nach Mitternacht landete ich am Zeltplatz der Rettbergsau unbemerkt an. Kein Klappern und keine weiteren Geräusche, als ich auf dem Sand auflief. Direkt daneben eine Gruppe von Leuten, die im Fackelschein am Strand Geburtstag feierten. Leise zog ich den Canadier mit meinen Habseligkeiten auf dem Transportwagen zum Inselinneren. Dort baute ich mein Zelt auf und schlief ungefähr sechs Stunden. Vor dem Frühstück wollte ich noch ein wenig paddeln, fuhr deshalb recht früh den Rhein wieder hoch zu der Biebricher Rettbergsau. Dort musste ich feststellen, dass mir für das Frühstück zwei wichtige Dinge fehlten: Der Kocher und das Essen. Nun gut, im Auto lagen die Sachen auch ganz sicher. Nachdem ich meine Energien durch eine zweistündige Sonnenanbetung wiedergefunden hatte, fuhr ich zurück nach Biebrich, holte das Auto, zerlegte schwitzend das Boot und war irgendwann gegen zehn Uhr Morgens wieder zu Hause.
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