19.12.2010

17.12.-18.12.2010 Große heiße Herzenfahrt auf der Enz

An den Tagen vor dieser Tour spielte das Wetter mal wieder alle Trümpfe aus und hielt uns in Atem. Eine der wesentlichen Fragen lautete, ob der Pegel von Vaihingen sich nun eher zwischen zwei und drei Metern oder gar unterhalb der für uns magischen 100 Zentimetermarke einpendeln würde. Die ersten Schneemassen dieses Winters waren an dem Wochenende vor der Tour mit einer ordentlichen Flutwelle die Enz heruntergespült worden. Würde sich dieses warme Wetter halten, und der zu erwartende Niederschlag als Regen fallen, so wäre recht ordentlich Wasser zu erwarten gewesen. Aber Petrus meinte es auch dieses Mal gut mit uns und drehte am großen Klimaregler mit der Folge, dass die Temperaturen kontinuierlich abnahmen und ab Wochenmitte reichlich Schnee fiel.

Die Einsetzstelle für unsere Tour lag an einer Rheinwiese am Ortsrand von Mühlacker. Auch dieses Städchen glänzte mit einer aufgeräumten, übersichtlichen Uferpromenade. Das mag zwar recht attraktiv wirken. Nur ist es in solchen Situationen nicht ganz einfach, einen Stellplatz für ein Zelt zu finden. Die Entscheidung fiel mir so schwer, dass ich kurzerhand mit dem Aufbau des Ally anfing. Trotz der Hundskälte kam ich recht schnell voran und bald danach stand mitten im Schnee ein Canoe. Ein Anblick, der die Passanten ein wenig zu verwirren und zu interessieren schien. Somit musste das Boot so schnell wie möglich versteckt werden. Denn auf den Besuch von Ordnungshütern wollte ich vorerst verzichten.

Keine zwanzig Meter von der Straße entfernt fand ich zwei Bäume, die nahe genug bei einander standen, um dazwischen einen Canadier unauffällig abzulegen und darüber ein Tarp aufzuspannen.

Schnell noch den Biwaksack mit Luftmatratze und Schlafsack gefüllt und unter das Canoe gelegt, das Auto ein wenig von der Übernachtungsstelle weggestellt und bald darauf ging es in das warme Bett.

Das heißt: Der Salewa PTX-Biwisack lehnte es ab, mich zusätzlich zu den bereits hineingestopften Utensilien aufzunehmen. Also musste ich auf Plan B ausweichen und die Luftmatratze ganz unprofessionell unter den Sack legen. Bald darauf machte ich Bekanntschaft mit einem der Nachteile von Membranen. Sie brauchen eine Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen, um die Luftfeuchtigkeit abzutransportieren. Mit dem gut isolierenden Schlafsack gab es zwar ausreichend feuchte Luft. Da er aber von der Körperwärme nichts nach Außen abgibt, war es auf beiden Seiten des Biwaksackes gleich kalt. Während ich in meinem Kokon dahinschmorte, wurde mein Gesicht von regelmäßig herabtropfendem Kondenswasser mit Flüssigkeit benetzt. Das hörte aber irgendwann auf. Danach rieselten nur noch kleine Eiskristalle erfrischend auf die Nasenspitze herab. Dennoch schlief ich wie ein Stein.

Unter einem Kanadier zu schlafen bedeutet, dass man am nächsten Morgen direkt neben dem transportablen Kleiderschrank und Nachttisch aufwacht. So war es nicht weiter schwierig, fast ohne Temperaturverlust langsam aus dem Schlafsack zu klettern und dem Fortschritt entsprechend die Klamotten überzuziehen. Ich muss zugeben, dass die folgende halbe Stunde nicht ganz in das Drehbuch passt. Aber der Gedanke an eine Bäckerei mit frischem Kaffee und einer warmen Butterbrezel war für mich zu verlockend, als dass ich ihm widerstehen konnte. Außerdem musste ich doch sowieso noch Brot kaufen.

Nach der Rückkehr schüttelte ich erst einmal das Eis aus dem Biwaksack und von dem Schlafsack, machte dann mit dem Picogrill ein kleines Feuer. Dieses Mal hatte ich darauf verzichtet, meine kalten Wasserflaschen mit in den Schlafsack zu nehmen. In Folge dessen  galt es vor der beabsichtigten Kaffeezubereitung, den inzwischen festen Inhalt der Nalgenes in den Kaffeekessel zu zaubern. Das Timing klappte so gut, dass der Kaffee genau in dem Moment fertig war, als die Mitpaddler Axel und Michael auftauchten. Sollten es nicht eigentlich noch viel mehr Leute sein? 

Alleine aus dem Canadierforum hatten sich doch so viele gemeldet? OK, mal ganz ehrlich: bei dem Wetter und der Grippewelle und den Weihnachtseinkäufen und den betrieblichen Weihnachtsfeiern und den vielen anderen organisatorischen Hindernissen kann ich diejenigen gut verstehen, die sich im Namen des Betriebs- und Familienfriedens kurzfristig gegen die Teilnahme entschieden hatten. Wir jedoch genossen den Kaffee und ganz besonders Michaels hausgebackenes Früchtebrot.


Um halb Zehn ging es los. Mit flottem Tempo zog uns die Enz durch die wunderschöne Winter-Landschaft. Dort, wo das Sonnenlicht auf das Wasser traf, bildeten sich kleine Nebelschwaden. Zusammen mit dem weichen Gegenlicht bewegten wir uns in einem gestellt wirkenden Szenario.





Die erste Umtragestelle erreichten wir sehr schnell. Kurz darauf kam uns ein Paddler mit einem selbst gebauten Seekajak (Skin on Frame) entgegen. Albrecht war in Mühlhausen eingestiegen und uns entgegengepaddelt. Da ich die Wendigkeit von Seekajaks eher mit der von Öltankern vergleiche, war ich doch recht überrascht, dass die Breite der Enz vollständig für das Wendemanöver ausreichte. Zusammen fuhren wir bis zum Wehr vor Mühlhausen, wo wir die Umtragung nutzten, um einen kleinen Imbiss zu uns zu nehmen.

Bei dem aktuellen Pegel von 130 Zentimetern konnten wir die sogenannte Mühlhausener Schleife befahren. So gerne ich auch auf Öko-Strom zurückgreife, so sehr nerven mich manchmal auch die Konsequenzen  dieser Art der Stromgewinnung. Denn die Halbinsel in der Enz-Schleife ist in Höhe des Wehres so schmal, dass vor gut einhundert Jahren ein paar findige Ingenieure einen Durchstich durch den kleinen Bergrücken gemacht haben, um das Gefälle des Wasserlaufes zur Energiegewinnung zu nutzen. Jetzt wird ordentlich Wasser für dieses Kraftwerk abgezogen und somit den kommenden Flusskilometern entzogen. Wenn aber ausreichend Wasser vorhanden ist, sorgen gerade auf diesem Abschnitt ein paar Steinwurfwehre dafür, dass unsereinem der Spaß am "Wanderpaddeln" nicht vergeht. 


Ein Wehr später haben wir bereits Roßwag erreicht. Hier beginnt die kürzere Strecke der "Heiße Herzenfahrt". Uns fällt schon recht früh der Weihnachts-Schlitten mit Zugtier Rudy auf. Die rote Nase dieses Rentieres ließ sich von Weitem ausmachen.
Die Startverzögerung in Roßwag nahmen wir gerne zum Anlass, um eine kleine Vesper abzuhalten. Bei mir gab es frisches Brot aus Mühlacker mit knusprig durchgekühlter Dosenbratwurst und zum Abschluss noch ein Stück von Michaels gutem Früchtebrot. Die restlichen vier Kilometer gestalteten sich etwas lebendiger. Mich beeindruckte die Sorglosigkeit der Wasserretter, während sie kräftig Wellen schlagend über die Enz bretterten. Aber, wenn die Kanuten nun einmal nicht von selber baden gehen, dann muss man halt ein wenig nachhelfen.



Am Ziel erwarteten uns zwei große Lagerfeuer, ein Glüwein, Gespräche und trockene Klamotten. Um den Bezug zu der kalten Umgebung nicht zu verlieren, stellte ich mich versehentlich beim Umziehen ausgerechnet mit den frischen, trockenen und warmen Socken in den Schnee. Bald darauf holten Michael und ich mit Hilfe des freundlichen Shuttle-Fahrers unsere Autos nach. Während Axel und Michael schnell iher Boote aufgeladen hatten und sich bald darauf verabschiedeten,  musste ich meinen Ally erst einmal auftauen, um ihn dann zerlegen zu können. Mittels einiger gut durchgeglühter Holzscheite vom Lagerfeuer, die ich unter den umgedrehten Ally gelegt hatte, löste ich diese Aufgabe. So wie das Boot jetzt noch nach Rauch stinkt, ist nebenbei auch sichergestellt, dass sich Kakerlaken, Asseln und Meerjungfrauen vorerst nicht mehr dort hinein wagen werden. Nach dem Verpacken des Ally wollte ich dann nach Birkenfeld weiterfahren. Dort war für den kommenden Tag ein wenig Spielen am Eisenbahnerschwall geplant.



Aber, wie sagte vor fast 200 Jahren schon ein Mensch, der mit mir zusammen Geburtstag hat, so richtig: "Erstens kommt es anders, zweiten als man denkt"! Mein guter treuer Diesel aus Türkischer Fertigung entschloss sich plötzlich in einen Streik zu treten. Dauer und Anlass nannte er nicht. also gab ich nach 90 Minuten auf, alarmierte die gelben Engel und setzte mich geduldig wartend wieder in's Auto. Dann, ein paar Minuten nach dem Telefonat ein weiterer Dreh am Zündschlüssel und der Motor lief wieder. Also wurden die Gelben Engel wieder abbestellt. Ich gehe mal davon aus, dass sich der heiße Dampf der unter dem Ally liegenden Holzscheite, einen Weg in die Luftanlage des Motors gesucht hatte und sich dort an geeigneter Stelle in Form eines kleinen, aber wirkungsvollen Eispaketes niederließ. Soweit zu den Obduktionsergebnissen. Sicherheitshalber habe ich dann aber den Weg nach Birkenfeld gemieden und statt dessen direkt den Heimweg eingeschlagen.

Ich werde diese Zwei Tage wieder als Bildungsurlaub verbuchen. Denn wo lernt man sonst so Eindrucksvoll und auf so verschiedene Weise, dass Wasserdampf kondensieren und Wasser gefrieren kann. Eine Erkenntnis, die den meisten Menschen in dieser modernen Welt nun einmal abgeht.

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