04.03. – 06.03.2011 Falt-Eisbrecher auf der Icebreak Tour


Navigation ist einfach. Zumindest, wenn es darum geht, ein GOC-Lager ausfindig zu machen. Denn erstens steht ein solches nie weit vom Wasser entfernt und zweitens erhascht das geschulte Auge des offenen Kanuten sehr schnell den Anblick der Tipis mit ihren leichten Rauchfahnen, die sich aus Ofenrohren an der Zeltspitze in die Luft schlängeln. 


So waren die letzten Meter meines Weges zum Kanu Camp Maisy May in der Nähe von Eschwege schnell erledigt und ich konnte mich bald darauf über das Wiedersehen mit einigen bekannten Gesichtern freuen. Wegen des nur oberflächlich angetauten Bodens war mein Entschluss recht schnell gefasst, auch auf diesem Camp mein Lavvu im Auto zu lassen und anstelle dessen die Hängematte in einem optimal dafür vorbereiteten Holzgestell mit trockenem Kiesboden aufzuhängen. 

Bald darauf war unter den kritischen Blicken von Bernd Briefs, Sylvia und Michael Koch mein Lager eingerichtet, so dass ich mich den wesentlichen Dingen widmen konnte. Um meiner Signatur im Kanuforum gerecht zu werden, heizte ich unmittelbar darauf Kohle an und konnte mich wenige Minuten später über den angenehmen Geruch eines im Dutch Oven schmorenden Rollbratens an Ofenkartoffeln mit Paprikagemüse freuen.

Nebenbei  fand sich genug Zeit, um das wunderschöne Szenario unseres, im Vordergrund grafisch interessant anmutenden Lagers vor der dahinter über dem vereistens Werratalsee untergehenden Sonne zu genießen und um natürlich das zu tun, was dem offenen Kanuten scheinbar neben Essen, Trinken, Feuer machen und Kanutieren am meisten liegt: Erzählen. Wir unterhielten uns am Lagerfeuer vor dem Tipi von Sylvia und Michael viel über die bevorstehende Moldautour, sonstige Erlebnisse und über die vielen Themen, die uns halt so in unserem Leben bewegen. Die langsam unangenehm werdenden Frosttemperaturen ließen sich anfänglich mit meinem heißen Essen ein wenig angenehmer gestalten. Dennoch wurde es irgendwann um Mitternacht Zeit für den Rückzug in den vermeintlich warmen Schlafsack. Vermeintlich deshalb, weil ich beim Aufbau des Lagers angesichts der frühlingshaften Sonnenstrahlen ignoriert hatte, dass zu dieser Jahreszeit die Tagestemperaturen keinerlei Aussagewert über die zu erwartenden Nachttemperaturen haben. Optimismus vor! Und in diesem Fall dann eben doch ein Eigentor! Erst, nachdem ich mir in den frühen Morgenstunden mein Schafsfell zwischen Schlafsack und Hängematte gelegt hatte, wurde es verträglich warm. Der Blick am nächsten Morgen auf den Vortags noch matschig-aufgewühlten Boden bestätigte den Grund meines kalten Schlafes:


Hart gefroren lag der Platz vor meinen Augen und die Landschaft hatte sich eine freundliche glitzernde Reifschicht übergezogen. Detlef und ich frühstückten auf meiner "Veranda" mit gutem, frisch aufgebrühten Kaffee aus dem Percolator. 

Die Gemütlichkeit fand ein jähes Ende, als mich entschloss, den Ally bereits auf dem Camp aufzubauen. Mit Peters Hilfe gelang der Aufbau nahezu in Rekordzeit. 

Bald darauf setzten wir unsere Boote bei Heldra in der Werra ein. 


War Heldra noch Zielpunkt unserer Indian Summer Tour 2010 , so führte uns die Teilstrecke des Samstags bis kurz vor die Tore von Eschwege zu einem kleinen Kanurastplatz unweit von unserem Camp.  

Die Werra ist meines Erachtens einer der meist unterschätzten Flüsse Deutschlands. Sie schlängelt sich durch eine wunderschöne, teils sogar recht grandiose Landschaft, passiert dabei immer wieder kleine Ortschaften, an denen die letzten 50 Jahre keine Bausünden hinterlassen haben. Die Bevölkerung ist im Vergleich mit unserer Mittel-Rheinischen "Wohlstandsgesellschaft" sehr freundlich und kommunikativ. Hinter fast jeder Ortschaft klebt an den Mittelgebirgs-Hügeln so manch eine gut erhaltene und noch bewirtschaftete Burg. Eine der berühmtesten ist die Burg Ludwigstein, die sich seit 1920 fest in den Händen der deutschen Jugendbewegung, "Wandervogel", befand. Im Dritten Reich als unartige Freidenker verfolgt, nutzten die Mitglieder des Wandervogels den Umschwung nach dem Kriegsende, um sich ihre neue Freiheit mittels der Wiederherstellung ihrer "Festen Burg" zu manifestieren. Später wurde die Burg der deutschen Jugendbewegung gewidmet. Viele Ziele und Verhaltensweisen der "Wandervögel" finden sich übrigens in dem gelebten Umgangsstil der offenen Kanuten wieder. Für uns Kanuten somit ein Fluss mit lebendiger Geschichte. Meine Nachbarn vom Mittelrheintal können wirklich froh sein, dass der ausländische Tourismus diese Landschaft noch nicht entdeckt hat...

Ja, wir konnten die Werra in Ruhe genießen....





Das lag aber auch daran, dass eine frostig-steife Brise die zügige Fließgeschwindigkeit  der Werra zunichte machte...

Entsprechend froh waren wir, als die Boote endlich wieder am Lagerplatz lagen und wir uns über Kuchen und frischen Kaffee hermachen konnten. Die empfindlich zunehmende Kälte kompensierten wir in zwei Tipis, in denen dann auch der Kriegsrat die Abendgestaltung beriet. "Melder" Günther hatte dabei die Aufgabe, die Beratungsergebnisse zwischen den beiden Tipis abzugleichen. Letztlich ging es unter der Führung von Campwart Manfred zu einem gastlichen Italiener in Eschwege. Neben dem sehr guten Essen habe ich vor allem dankbar die hohen Raumtemperaturen von deutlich über null Grad registriert. Warme Luft macht nach einem Tag im Freien auch ohne Alkoholzugabe Bettschwer. So schaffte ich es nach unserer Rückkehr zum Lager gerade noch in die Hängematte, die, inzwischen mit einer Synmat isoliert, einen wohlig-warmen Schlaf bis kurz vor neun Uhr garantierte. Ich hatte sogar den "Tipi-Lager-Wecker" verschlafen, dessen Klang sich im Normalfall in Form von Hackgeräuschen bei der Herstellung von Anzündholz aus den Tipis auf dem morgendlichen Campingplatz ausbreitet. 

In der, inzwischen recht warmen Morgensonne frühstückten Detlef und ich wieder auf "meiner" Veranda. Danach wurden die Autos zu unserem Zielort in Kleinvach vorgefahren. Da ich ja prinzipiell eher wirtschaftlich handele, wollte ich an diesem Sonntag auf die Boots-Schlepperei zur Werra verzichten. Schließlich war die letzte Nacht nicht sonderlich kalt gewesen und das Eis des Werratalsees musste doch zu knacken sein. Zumindest im Ufernahen Bereich zwischen dem Camp und der Einstiegsstelle an der Werra. Krachend brach der Ally durch das Eis, als ich Paddelschlag für Paddelschlag immer weniger schnell vorankommend in den See hinausdrang. Nach immerhin einer Bootslänge war dann Schluss. Erschöpft gab ich dieses Vorhaben auf und schleppte das Boot dann eben doch wieder auf dem Landwege zum Fluss. 
Bei herrlichem Sonnenschein starteten wir gegen Mittag von dem Kanurastpatz an unserem Gelände zu unserer zweiten Etappe.

Langsam glitten wir auf Eschwege zu, genossen dort das "Klein Venedig" genannte Stadt-Panorama, bis wir vor die Wahl gestellt wurden, das bevorstehende Wehr rechts zu umtragen oder zu Schleusen.


Während wir darauf warteten, vom "Schleusenwart" Michael die Einfahrtfreigabe in die Schleuse von Eschwege zu bekommen, konnte ich mich von der Anstrengung meiner "Ice Break Tour" wieder erholen. Gute zweieinhalb Meter  tiefer begann dann die Weiterfahrt mit einem bisschen Spielen und Aufwärmen im Kehrwasserbereich zwischen Schleusenkanal und Wehrauslauf.

Gerade im Sonnenschein mussten wir feststellen, dass die Flussnahen Besiedlungen bei dem letzten Werra-Hochwasser einige Umweltprobleme verursacht hatten. So waren alle Bäume und Büsche bis vier, fünf Meter über unserem aktuellen Wasserspiegel mit Zivilastions-Resten verschmutzt. Überall hingen zerfetzte Planen, Plastikfolien, Gartenstühle so wie ganze Kühlschränke und warteten auf den gnädigen Moment des Zerfalls. Ein Problem, dass sicherlich vielen Vögeln und den wenigen, im Salzwasser der Werra lebenden Fischen ernsthafte Schwierigkeiten bereiten wird. 

Nach einer Pause bei Jestädt waren die letzten Flusskilometer von dem inzwischen wieder flach einfallenden Sonnenlicht geprägt.

      


Bald jedoch war die Brücke von Kleinvach und die darunter liegende Ausstiegsstelle erreicht. Für mich meist ein wehmütiger Moment, da sich mit dem Ende einer Sonntagstour auch die Gemeinschaft wieder in allen Himmelsrichtungen auflöst. In diesem Fall trafen wir uns aber allesamt noch mal auf dem Biwak-Gelände, bevor einige Ihre Sachen packten, um den Heimweg anzutreten, während sich eine kleine Gruppe dazu entschloss, noch ein wenig zu bleiben. Letztlich machte ich mich kurz vor Sonnenuntergang doch noch auf den Weg. Bei dem kalten Wind des Tages war ich einfach zu ausgekühlt, um guten Gewissens eine weitere Nacht im Freien verbringen zu können.

Für mich hat sich die Werra auch auf dieser Tour von einer wunderschönen Seite gezeigt. einer Seite, die mich neugierig auf mehr macht. Sicherlich werden sich für die Befahrung weiterer Abschnitte bis hinunter nach Hannoversch Münden ein paar Mitspieler begeistern lassen, deren Lager sich bekanntlich anhand der Tipis mit den leichten Rauchwölkchen leicht finden lässt. 






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