24.02.2011

18.02. - 20.02.11 Mit Tarp aber ohne Teepee im 3. Winter-Tipi-Lager

Das Eis des Feldweges glänzt schwarz in dem Schnee, während ich mich dem Wintertipilager bei Kreutzen / Munster nähere. Schon von dem Parkplatz aus kann ich durch den verschneiten Wald den Feuerschein von Lagerfeuern erkennen, um die sich vermummte Gestalten versammelt haben und sich in der Kälte kaum bewegen, während im Hintergrund der gefrorene Dampf ihres Atems mit dem Rauch der Zeltöfen einen neblig-weißen Dunstschleier formt.


So hatte ich mir während der letzten sechs Monate das Szenario vorgestellt und mich riesig auf diese Erfahrung gefreut. Dann aber wurde es Anfang Februar richtig warm. Die Luft wärmte sich auf bis zu fünfzehn Grad auf und bald darauf zerstörten Tage voller Regen meine Hoffnungen auf eine schöne, trockene Lageratmosphäre. Meine Enttäuschung war groß. Was tun? Zelt mit Bodenwanne mitnehmen? Mehrere Paar Gummistiefel? Ausreichend Wechselklamotten? Hobo- und Dutch Oven zu Hause lassen, weil in der matschigen Heide sowieso kein Feuerholz zu finden sein wird?

Dann aber wurde der Traum plötzlich Realität. In der Woche vor der Veranstaltung fielen die Temperaturen weit unter null Grad und plötzlich lag in der Lüneburger Heide sogar Schnee!

Traum und Realität: Wintertipilager bei frostigen Temperaturen und Schnee
 Am Abend meiner sehr späten Ankunft saß und stand die Runde der TeilnehmerInnen um das Lagerfeuer. In kleinen Grüppchen wurde über technische Themen des Lagerlebens, des Bootsbaues ebenso gefachsimpelt wie auch viele private Geschichten untereinander ausgetauscht wurden. Irgendwann, weit nach Mitternacht, wurde es den meisten TeilnehmerInnen aber so kalt, dass sie sich freiwillig in ihre beheizten Zelte zurückzogen. Ich, hingegen, musste mir erst noch einen geeigneten Lagerplatz suchen. Die wichtigste Frage, ob der leicht federnde Boden unter der Schneedecke einfach nur trockener Waldboden oder aber Morast sein könnte, ließ sich in der Dunkelheit nicht mehr ausreichend bestimmen. Also verzichtete ich auf einen Schlafplatz am Boden und zog mich in meine trockene Hängematte zurück.

© 2011 Bernd van Ooy (Lodjur)
Die frische Luft des Schlafens unter freiem Himmel ist für mich ein unglaublich tolles Geschenk. Ich schlafe unter diesen Bedingungen in meinem warmen Schlafsack meistens tief und lang. Stören kann mich dann kein Geräusch oder gar morgendliches Sonnenlicht. So gesund dieser Schlaf auch sein mag, so ungesund war es in diesem Fall, eine knappe halbe Stunde vor Abfahrt zum Paddeln aufzuwachen und zu wissen, dass der Ally noch dringend aufgebaut werden musste. Also wurde an diesem Morgen auf Kaffee und frisch gebackenes Brot verzichtet. Statt dessen baute ich mit Martins fachmännischer Hilfe den frostigen Ally auf, band ihn aufs Auto, holte meine Paddelklamotten und konnte nur froh sein, dass ich noch gerade so fertig geworden war, als der Tross sich langsam vom Biwak-Gelände entfernte.
Unterwegs konnte ich immerhin den noch heißen Kaffee des Vortages aus meiner Thermoskanne genießen und dazu gab es ein wenig Schweizer Blockschokolade und eine Dose getrockneter Bananen.

Start in Groß-Südstedt - was man doch so mit einiger Phantasie aus einem C2-Abfahrtsboot machen kann...
 Etwa eine Stunde später ging die Fahrt von "Groß Südstedt", einem 150-Personen-Dorf , los. 
Copyright 2011 Mette & Orion, Odenthal

Zum ersten Mal fuhr ich den Ally im Duo mit einer übermotorisierten, erwachsenen, Bugschraube. Die Bugstrahlruder-Funktion hatten wir jedoch wegen mangelnder Erfahrung im Vorschiff deaktiviert. Für diese "Probefahrt" war die Gerdau geradzu prädestiniert. Der flott mäandernde Wiesenbach schlägt so manch einen lustigen Haken, bei dem es natürlich schon mein Ehrgeiz war, ohne Uferberührung durchzukommen. 
  
Copyright 2011 Thomas Prause, Neustadt/Hannover
Was aber so ein Ally ist, der lässt sich auch in einer solchen Konstellation leicht lenken. Selbst enge, hakelige Umfahrungen kleinerer Jams und Sweeper gestalteten sich mit einer träumerischen Leichtigkeit.


Copyright 2011 Albert Schottmeier, Norderstedt
 In Gerdau machten wir eine kurze Rast. Die ersehnte Gaststätte hatte leider geschlossen, so das wir ein wenig improvisierten. Einige kochten sich ihr Süppchen, oder aßen ihre mitgebrachten Stullen während ich mich vorwiegend mit meinem Kaffee abfand.
  
Klappt's? Niedrige Brücken haben ihren besonderen Charme. Mit einem ordentlichen Logjam wird's eng!

 
 
Abenteuer bewältigt! Die Freude ist groß
 

Sicherheit - wenn's mal eng wird:
- zuerst die Soloboote
- zum Schluss ich mit
- Australischem Helm
 

Ein- und Aussteigen - der gefährlichste Moment beim Canoetouring im Winter...
 




"Sweeper" - tiefhängende Äste: Eine supergemeine Nummer!

Einige Schwälle und niedrige Brücken weiter hatten wir gegen 16 Uhr unseren Ausstieg bei Holdenstedt erreicht.

Nachdem der Ally auf meinem Autodach vertäut war, musste ich noch etwas für die Bereitung des Abendessens und das Frühstück vom nächsten Morgen besorgen. Um halb Sechs erreichte ich das Lager und hub sofort ein Loch für den Dutch Oven aus. Mein Schreck war nicht gering, als ich sah, das der Waldboden an dieser Stelle knochentrocken, locker und leicht torfig war. Mittels einer aufgebrachten Eisplatte und Holzplättchen, die Haralt mit seiner Fiskars-Axt aus einem Holzklotz schlug, war dem Brandschutz genüge getan. Haralt war eben gerade aus Hamburg zu dem Treffen hinzugestoßen. Weil er noch nicht zum Einkaufen gekommen war, lud ich ihn zu einem gemeinsamen Abendessen ein. Gemeinsam bereiteten wir das Essen vor, brieten den Krustenbraten scharf an, löschten mit der Flüssigkeit des Dosengemüses den Braten ab und fügten das Gemüse und die ganzen Kartoffeln hinzu. Mittels des IKEA-Kohle-Kamins (Küchengerätekorb) hatten wir in der Zwischenzeit ausreichend Kohle vorbereitet, um den Topf vertrauensvoll für einige Zeit sich alleine überlassen zu können.

Leider hatte ich vor lauter Gedanken an das Essen total verpeilt, dass Peter Peukers Wolfsdokumentation nicht auf dem Camp, sondern in einer nahegelegenen Wirtschaft vorgeführt werden sollte. Da die Garzeit unseres Essens mit diesem Termin im Konflikt stand, entschloss ich mich dazu, auf dem Gelände zu bleiben. Ich gesellte mich zu Max und Karla, mit denen ich mich super toll unterhalten konnte. Beide wirkten auf mich so reif, dass ich mir kaum vorstellen konnte, es hier mit 18-Jährigen Schülern in der Abitursvorbereitung zu tun zu haben. So ganz nebenbei machten wir uns über den Inhalt des Dutch Ovens her. 
Einen derart wohlschmeckenden, zarten, aber dennoch knusprigen Krustenbraten hatte ich bis Dato noch nicht probieren können! Für Haralt blieb natürlich auch noch was übrig. An diesem Abend hielt ich nicht mehr besonders lange durch. In dem Wissen, unter mir trockenen Boden zu haben, verzichtete ich in dieser Nacht auf meine Hängematte und schlief satte 10 Stunden in bester Luft.

An diesem Morgen stand noch etwas ganz Besonderes auf dem Programm: Der NDR plante, eine Live-Sendung von unserem Lager zu machen. Anders als früher, wo Übertragungswagen mit Antennenmasten und Generatoren herbeigeschleppt wurden, kam hier nur der Journalist Thomas Stahlberg mit seiner Assistentin, stellte intelligente Fragen, brachte noch intelligentere Statements von sich, woraufhin wir endlich wussten, über welche gesellschaftlichen Defizite wir verfügen. Hört Euch den Bericht am besten mal selber an: Stahlberg im Wintertipilager

Während Herr Stahlberg mit Albert über die Toilette in der Tipi-Stange fachsimpelte, saßen Haralt und ich bereits in seinem Tipi am Frühstückstisch und genossen getoastetes Brot mit Kaffee und vielen leckeren Zutaten. Unsere Unterhaltung bereicherte sich ein wenig später noch um Andreas (Wenigpaddler) Beiträge. Zu dritt genossen wir die ruhige Unterhaltung und stellten mal wieder jeder für sich fest, dass es wirklich unglaublich ist, über welche Menschen man in unserer Sport- und Lebensart treffen kann. Mein Aufbruch dauerte noch recht lange. Immer wieder fanden sich Menschen, mit denen ich mich gerne und intensiv unterhielt.

Für mich war dieses Wochenende ein typisches Canoe-Wochenende:
Ich durfte wieder einmal unter sympathischen Menschen sein, mich in totaler Freiheit bewegen, frische Luft schnappen, mit dem Canoe ein paar Herausforderungen bestehen und total abschalten.

Was will ich mehr?

Copyright 2011 Mette & Orion, Odenthal


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